Maulkorb, Quälerei oder Gewinn
- Jessica Wiedler
- 11. Jan. 2023
- 7 Min. Lesezeit
Maulkorb – Ein brisantes Thema.
Ganz schnell entstehen hitzige Diskussionen.
Durch die Medien entsteht der Eindruck, dass Hunde mit Maulkorb Bestien sein müssen.
Sieht man auf dem Spaziergang einen angeleinten Hund mit Maulkorb, kommen ganz schnell Vorurteile auf:
Das ist bestimmt ein Listenhund / Kampfhund
der hat die Auflage vom Veterinäramt
Der hat sicher schon gebissen (Hunde und / oder Menschen)
Das ist bestimmt Quälend für den Hund
Und noch einige mehr...

Vorurteil Maulkorb
Ein Maulkorb löst bei vielen Hunde- und Nichthundehaltern zunächst ein ungutes Gefühl aus.
Die Gedanken befassen sich mit blutrünstigen Geschichten um die Vorgeschichte des Hundes, oder der Hund wird in eine Schublade gesteckt und auch ohne ausmalende Geschichten verurteilt und die Straßenseite besser vorsorglich gewechselt.
Ich weiß nicht, warum jedem Hundehalter dieses Horrorszenario zuerst einfällt, und es Argument Nummer 1 ist, wenn es darum geht, den Maulkorb abzulehnen.
Genauso gut könnte der Hund im Maulkorb-Training sein, oder er muss auf Grund einer Unverträglichkeit eine Ausschlussdiät machen und darf absolut nichts vom Boden fressen. Oder das Thema Giftköder.
Ist eine Giftköderwarnung im Gebiet bekannt, ziehen Hundehalter ihren Hunden oft Maulkörbe an, um zu verhindern, dass die Hunde etwas Schädliches aufnehmen können. So kann der Hundehalter ganz einfach und ohne Stress jeden Spaziergang entspannt angehen.
Allerdings solltest du darauf achten, dass der Maulkorb zur Giftköderprävention geeignet ist! Die meisten sind es nicht!
Hunde, die Maulkorb tragen, sind schnell im Gespräch.
Die meisten Menschen reden über Hund und Halter, selten mit ihm.
Der betreffende muss lernen, damit umzugehen.
Man wird oft darauf angesprochen, warum der Hund den ach so schlimmen Maulkorb tragen muss.
Er sollte sich dafür nicht rechtfertigen oder entschuldigen müssen!
Erfahrungsgemäß spart man sich den Atem, wenn man sich nicht rechtfertigt.
Die persönliche Entscheidung, warum der eigene Hund an einen Maulkorb gewöhnt werden oder tragen soll, ist eine persönliche Entscheidung, und muss niemandem erklärt werden, wenn man das nicht möchte.
Ja, natürlich tragen viele Hunde einen Maulkorb, weil sie z. B. nicht sozial verträglich sind (Gründe sind hier erst einmal völlig egal).
Diese Hunde und dazugehörende Menschen sind aber deswegen nicht schlecht!
Sie übernehmen die Verantwortung, dass niemand zu Schaden kommt.
Dem Hund selbst ist es, wie seinen Artgenossen auch, egal.
Durch eine korrekte Maulkorbgewöhnung mit individuell angepasstem und gut sitzendem Maulkorb hat der Hund keinerlei Einschränkungen seiner Lebensqualität.
Hunde akzeptieren die Dinge so, wie sie eben sind.
Mehr Freiheit dank Maulkorb
Mit einem Maulkorb kann ich dem Hund Freiheiten ermöglichen, die aus Sicherheitsgründen sonst nicht möglich wären.
Ich habe so einen Hund, der in bestimmten Situationen einen Maulkorb trägt,
um sicher zustellen, dass weder er noch andere Lebewesen böse Erfahrungen machen.
Sei das in der Hundestunde, im Hundebegnungstraining, bei Rudelspaziergängen, bei der allgemeinen Resozialisierung, im Freilauf und beim Tierarzt.
Hat mein Hund den Maulkorb an, kann ich draussen entspannter sein, und in Situationen
viel klarer mit ihm kommunizieren, auch wenn mein Hund mal nach vorne schießen sollte,
wenn ich nicht gefasst bin, weiss ich: Es kann nichts passieren!
Selbst der Kontakt an der Leine, falls gewünscht, klappt so besser.
(Es ist nicht generell ausgeschlossen dass Hunde an der Leine sich nicht begrüssen dürfen.
aber das wie und wann muss erlernt werden. Innere Haltung und Emotionen beachten!)
Hat er den Maulkorb nicht an, wird schon der Sichtkontakt zu einem Objekt
(er hat Augen wie ein Greifvogel) zu einem Abenteuer.
In diesem Fall wirkt der Maulkorb also einfach auf meine Stimmung, welche sich auf den Hund überträgt und macht somit die ganze Situation entspannter.
Zusätzlich kann ich den Maulkorb meinen Kursteilnehmer oder anderen Hundehaltern,
positiv näher bringen.
Hilfsmittel, auch für mich als Trainer:
Gerade für mich als Trainerin, ist der Maulkorb bei einem unanständigen Hund,
zunächst das Hilfsmittel der 1. Wahl.
Ein Hund kommt ins Hundetraining, weil er z.B. Leinenaggressionen zeigt.
Trägt dieser einen Maulkorb, so besteht die Möglichkeit, kontrolliert die Situationen zu trainieren, in welchen der Hund zum aktuellen Stand, noch nicht gelernt hat,
sich freundlich zu verhalten.
So wird die Sicherheit für Mensch und Hund gewährleistet, und eine ernsthafte Beschädigung des Gegenübers ist nicht möglich, so besteht die Möglichkeit, zu trainieren, dass Aggression nicht die gewünschte Wirkung zeigt.
Hat der Hund erst einmal gelernt, das Gegenüber durch Beißen auf Abstand zu halten,
können mit Hilfe des eines Maulkorbes, neue Wege aufgezeigt werden.
Meiner Meinung nach, sollte das Maulkorbtraining zu jedem Hundetraining gehören.
Bei Mir hat dieser Punkt einen hohen Stellenwert, alle meine Kursteilnehmer, werden immer wieder mit diesem Thema konfrontiert.
Ebenso wie Sitz, Platz und Bleib sollte ein Hund das Tolerieren und Tragen eines
Maulkorbs erlernen.
Sei es, weil das Tragen eines Maulkorbs an gewissen Orten wie in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen Plätzen vorgeschrieben ist, weil der Hund Probleme mit gewissen Situationen hat, in manchen Fällen auch als Schutz vor der unerwünschten Aufnahme von Futter und für den Tierarztbesuch.
Welcher Maulkorb?
Maulkörbe gibt es in verschiedenen Materialien:
Leder
Biothane
Kunststoff
Metall
Alle haben ihre Vor- und Nachteile. Reinigung, Stabilität, Bissfestigkeit, Passform – das alles sind Dinge, die man bei der Auswahl beachten muss. Spezialisierte Firmen, bieten eine grossartige Beratung und tolle Produkte.
Ein qualitativ hochwertiger und tierschutzgerechter Maulkorb muss nicht dekorativ aussehen.
Flachschnauzen Maulkorb
Es ist sehr schwierig für Rassen mit abgeflachter Nase, einen passenden Maulkorb zu finden. Maulkörbe von der Stange, die man in jedem Zoogeschäft kaufen kann, können für den unangenehm sein, wenn diese denn überhaupt passen.
Die Kurzschnauzen Maulkörbe sollten mit einem Stirnriemen versehen sein, da alle anderen
vom Hund über die Nase ausgezogen werden.
Keinesfalls sollte man den erstbesten Maulkorb im Internet kaufen, man wird jedoch nach einiger Recherche fündig, einige Händler bieten Modelle an, die speziell auf diese Kopfform abgestimmt sind.
Meist gibt es bei den Herstellern Anleitungsvideos welche das Ausmessen zeigen, die Masse
können dann in eine Tabelle eingegeben werden und so wird der Maulkorb hergestellt.
Nach langem austesten von verschiedenen Modellen, auch Gitterkörbe, bevorzuge ich nun für meine Bulldoggen Baskerville (beige) für breite Schnauzen.
Die anderen sitzen trotz Passgenauigkeit nicht richtig.
Tipps: Folgendes ist beim Kauf besonders zu beachten:
Nehmen Sie den Hund mit zum Maulkorbkauf.
Probieren Sie verschiedene, Modelle
Wählen Sie den aus, der Ihrem Hund am besten passt.
Bitte nicht nach Optik, sondern nach Passgenauigkeit entscheiden!
Es gibt extra, Modelle für Zwerge (z.B. Papillon) und kurznasige Hunde (z.B. Boxer)".
Fragen Sie im Fachhandel nach, aber lassen Sie sich nicht bequatschen.
Grösse und Passform:
Luftzirkulation (keine geschlossenen Maulkörbe)
Schnauzengrösse beachten (Hund muss Maul aufmachen können, um zu hecheln und zu trinken)
Nicht zu gross (Verletzungsgefahr, trinken unmöglich, kann abgezogen werden)
Liegt nicht auf dem empfindlichen Nasenspiegel auf
Drückt in die Augen (vor allem bei flachnasigen Rassen ein Problem)
Guter Sitz (scheuert nicht, kann nicht abgestreift werden)
Training:
Es gibt nur wenige Hunde, die kein Problem damit haben, wenn sie das erste Mal in ihrem Leben einen Maulkorb aufgesetzt bekommen.
Die meisten Hunde finden den Vogelkäfig um ihre Nase schlicht und ergreifend doof und beginnen mit verschiedenen Verhaltensweisen, das nervige Ding wieder los zu werden.
Mit Nasereiben, wälzen und abziehversuche u.v.m. wird dem tragen, Protest verliehen.
Maulkorbtragen ist mit dem Tragen einer Brille vergleichbar.
Trägt ein Hund den Maulkorb nicht gerne, kann das den Hund stressen und negatives Verhalten wie Aggression verstärken.
Gerade Tiere, die einen Maulkorb über längere Zeit tragen, sollten keinen Dauerstress ausgesetzt sein. Aus diesem Grund empfiehlt sich ein regelmässiges und langfristiges Maulkorbtraining.
Das Tragen eines Maulkorbs sollte sorgfältig und vernünftig beigebracht werden.
Das Training sollte individuell auf den Hund angepasst werden.
Geht man zu schnell voran mit den Trainingsschritten, überfordert man den Hund und das Tragen des Maulkorbs wird negativ behaftet.
Wenn man merkt, dass der Hund gestresst ist oder sich unwohl fühlt, lieber wieder einen Schritt zurück gehen, man kann auch erst mit Joghurtbecher anfangen.
Wichtig im ganzen Training ist, dass der Maulkorb nie zum Hund geht,
immer kommt der Hund zum Maulkorb.
Wenn der Hund das Tragen, die Manipulation an der Schnalle und das Anfassen gut gelernt hat, dann kann man anfangen den Maulkorb in verschiedenen Situationen einzusetzen und auch andere Übungen damit zu machen.
So generalisiert der Hund das Tragen des Maulkorbes.
Wichtig im ganzen Training ist wirklich, dass man es regelmässig macht, sich langsam steigert und gut auf die Zeichen des Hundes achtet.
Man kann auch mit dem Maulkorb konditionierte Entspannung üben.
Der Hund sollte keine negativen Erfahrungen machen.
Vermeiden Sie beispielsweise, den Korb nur für Tierarztbesuche anzulegen, da er ihn eventuell damit zu verknüpfen beginnt und nicht mehr gerne trägt.
Und wie immer gilt: Lob und Streicheleinheiten machen das größte Übel erträglich!
(Es gibt dazu einige Videos im Netz, bitte, entscheidet immer für den Hund und nehmt ein Video welches euch entspricht und nicht einfach eines.)
Und zu guter Letzt …
Legt eurem Hund zwischendurch am Spaziergang den Maulkorb an - einfach, weil ihr es könnt! Macht den Maulkorb alltäglich und normal – sowohl für euch als Hundeteam, als auch für die Gesellschaft!
Triffst du einen Hund mit Maulkorb an, heisst das nicht unbedingt, dass dieser Hund gefährlich ist oder das dieses arme Tier gequält wird, weil er aus deiner Sicht gar keinen Maulkorb braucht. Es heißt aber auch nicht, dass er ungefährlich ist. Also agiere hier bitte mit Sinn, Verstand und Freundlichkeit.
Auf diesem Weg bedanke ich mich für alle, welche kein Urteil abgeben,
und uns mit Respekt begegnen.
Statt also dem nächsten Hund mit Maulkorb aus dem Weg zu gehen, haltet einen angemessenen Abstand und versucht, ins Gespräch zu kommen.
Natürlich treffe ich Unterwegs auch solche Menschen, welche die Strassenseite wechseln und mir zu rufen, ob ich meinen doch so gefährlichen Hund auch halten kann.
Andere wiederum laufen mit Ihrem Hund so gefährlich nahe an meinem vorbei, dass meiner sicher "austickt" weil sie denken: Kann ja nichts passieren.
Für uns sind solche Situationen sehr unangenehm und mit Stress verbunden.
Warum möchte man als Hundebesitzer nicht, dass der Hund einen Maulkorb trägt?
Wieso ist der Maulkorb immer so negativ behaftet?
Dabei sind gerade die Besitzer dieses Hundes mit Maulkorb tolle Besitzer,
Die ihren Hund und Ihre Umwelt vor beängstigenden Alltagssituationen schützen.
Negatives zum Maulkorb:
Der Maulkorb ist Fluch und Segen zugleich: er bietet zwar Schutz für andere,
der Maulkorbträger selbst ist bei einer Beisserei aber angeschmiert, weil die Möglichkeiten sich zu wehren, gering ausfallen.
Denn ein Hund, der in eine Beisserei verwickelt wird, hat immer ein Problem.
Maulkorb drauf oder nicht.
Der Hundehalter dann auch, denn in einer ernsten Beisserei, in der sich die Hunde beschädigen (wollen), ist er so gut wie machtlos.
Würden also mehr Hundehalter mit bissigen Hunden über eine Maulkorbgewöhnung nachdenken, würde das Risiko einer blutigen Beisserei deutlich reduziert, nicht erhöht werden.
Fazit:
Der Anblick von Hunden, die Maulkorb tragen, mit ihm über die Hundewiese toben und am Alltag teilnehmen, sollte selbstverständlicher sein, als es zurzeit ist.
Wenn Hundehalter, die ihren Hund an einen Maulkorb gewöhnt haben, sich häufiger trauen würden, diesen auch einfach so aufzusetzen und damit spazieren zu gehen, könnten sie dazu beitragen, dass dieses Bild nichts mehr Besonderes ist und alle hätten etwas davon.
Die Freiheit, die ich und mein Hund durch den Maulkorb erleben, wiegt alles Negative auf.
Ich bin überzeugt davon, dass noch viel mehr Hunde von einem Maulkorb profitieren könnten.
Jeder Hund hat eine Chance verdient, und manchmal wird diese mit Maulkorb erst ermöglicht!
Hunde mit Maulkorb sind oft ungefährlicher als Hunde ohne Maulkorb.
Denn Hunde mit Maulkorb können gar nicht beißen. Hunde ohne Maulkorb schon.
Auch, wenn sie das noch nie vorher gemacht haben.
Du bist verantwortungsbewusst, wenn du deinem Hund einen Maulkorb anziehst.
Lieber „Präventiv statt viel zu spät“.
Eure Jessica
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